Das Großherzogtum Luxemburg, 83 km lang, 50km breit,  ist scheinbar seit eh und je auf dem Gebiet der Radioindustrie völlig abhängig vom Ausland. Doch der Schein trügt: Das Großherzogtum besaß eine eigene Radiofabrik, genannt Ducal Radio. Ducal Radio produzierte ab dem 2. Weltkrieg bis ungefähr 1955 Radiogeräte, danach betrieb die Firma ein Elektrogroßhandelsgeschäft, dessen Betriebstätigkeit erst 1992 vollständig eingestellt wurde.

Die Firma wurde von 2 Brüdern,  Emile und Raymond Stein gegründet. Wie Herr Raymond Stein erzählt, interessierte er sich schon als Kind für Basteleien mit der sogenannten Funkentelegraphie. Mit 12 oder 13 Jahren bekam er dann sein erstes eigenes Radio, einen Kristalldetektorenempfänger. Raymond Stein sparte sein Geld und verbesserte seinen Kristalldetektor. Schließlich kam er in den Besitz eines Röhrenempfängers.

In den 20er Jahren entwickelte Raymond Stein dann Interesse am Amateurrundfunk und führte mit Kollegen in seinem Hobbyzimmer einzelne Versuche durch.

Während des 2. Weltkriegs waren die 2 Brüder getrennt : während Emile Stein den Krieg in Paris miterlebte, blieb Raymond Stein in Luxemburg. Hier wurde ihm sein Interesse am Amateurrundfunk fast zum Verhängnis. Er mußte mit einigen seiner Kollegen wegen unerlaubter Sendung von Radioprogrammen ins Gefängnis.

Als E. Stein nach dem 2. Weltkrieg aus Paris zurückkehrte und Luxemburg in Schutt und Asche lag, entstand und verstärkte sich der Wunsch der beiden Brüder, selbst Radios zu bauen.

Ihre Pläne wurden in die Wirklichkeit umgesetzt : sie mieteten ein kleines Eckhaus auf dem Theaterplatz in Luxemburg - Stadt und gründeten, mit wenig Startkapital und mit Unterstützung einer Luxemburger Bank, die Firma Ducal Radio.

 

Von nun an bauten die Brüder mit ungefähr 15 Angestellten verschiedene Modelle von Rundfunkgeräten, vom einfachsten Radio mit 3 Wellenbereichen bis zur Musiktruhe mit Raumklang .

Da wegen der zunehmenden Nachfrage immer mehr Raum benötigt wurde, mietete Ducal - Radio ab 1947 die 3. Etage der ehemaligen Handschuhfabrik in Stadtgrund.

Hier arbeiteten im Bereich der Radiofertigung zwischen 60 und 70 Dauerangestellte.

Emile und Raymond Stein teilten sich die Arbeit auf :

Während Emile den geschäftlichen Teil von Ducal Radio übernahm, beaufsichtigte und

entwickelte Raymond den technischen Teil der Fertigung ; er wurde weiterhin auch von seinem Bruder hauptsächlich in der Entwicklung unterstützt.

Obwohl Ducal Radio einen rasanten Absatz der Geräte im Inland und auch bei Vertretern aus Belgien, Holland, Frankreich, den Niederlanden und sogar aus Deutschland feststellen konnte, beschlossen die 2 Brüder, die Produktion von Radiogeräten Mitte der 50er Jahre einzustellen.

Herr Raymond Stein begründete dies im Gespräch mit dem Autor dieses Textes anhand von 2 Ursachen :

"Wegen der wachsenden Konkurrenz und Zunahme von Billigproduzenten in der Radioindustrie aus Holland, Belgien und Deutschland wollten wir kein Risiko eingehen, die hohen Lohnkosten hier in Luxemburg ließen diese Produktion einfach zu riskant erscheinen.
Da wir unsere Bauteile fast ausschließlich aus dem Ausland bezogen, mussten wir Importtaxe bezahlen. Der Staat gab uns keine Fördermittel, er war nicht an Kleinindustrien wie der unsrigen interessiert, sondern nur an der Stahlproduktion im Süden des Landes, die zu jener Zeit ihrem Höhepunkt zustrebte."

Ducal Radio existierte jedoch noch weiterhin. Emile und Raymond Stein bauten einen Elektrogroßhandel auf. Sie verkauften fortan Elektrohaushalts- und Audiogeräte. Ducal Radio fertigte noch einige Jahre Radios unter den Namen verschiedener Firmen, bis die Produktion schließlich eingestellt wurde.

 

Die Geschäftsstelle befand sich in der ehemaligen Handschuhfabrik in Stadtgrund sowie im eigenen Gebäude der Gebrüder Stein und wurde bis 1984 von ihnen selbst geleitet. Im Jahr 1982 zog sich Raymond Stein im Alter von 70 Jahren zurück, sein Bruder folgte 2 Jahre später. Fortan wurde das Elektrogeschäft von einem Nachfolger geleitet, bis es 1992 zahlungsunfähig wurde und den Betrieb vollständig einstellen mußte. Mit dieser Schließung ging die erste und einzige Luxemburger Radiolegende zu Ende